Altes Rathaus, 1.12.2014. „Live ist immer besser“, lautet der weit verbreitete Tenor unter Musikliebhabern. Wer das aktuelle Studioalbum der Wasserfuhr-Brüder und ihrer Band kennt, dem fällt schwer zu glauben, dass die unvergleichliche Virtuosität und Lockerheit der Jazzer auch auf der Bühne funktioniert, geschweige denn getoppt werden kann.
Aber es geht! Bei ihrem Konzert am Samstag präsentierten Julian und Roman Wasserfuhr neben Stücken aus besagtem Album auch nagelneue Kompositionen und solche, die die ersten gemeinsamen Gehversuche der jungen Musiker dokumentieren – allesamt ein Hochgenuss für das anspruchsvolle Schöppinger Publikum im Alten Rathaus.
Schon im vergangenen Jahr waren die Geschwister aus dem oberbergischen Dorf Hückeswagen dort zu Gast. Konzerte in Paris, München und Innsbruck standen seitdem in den Terminkalendern ihres Quartetts. Und auch musikalisch haben sich die Jungs mithilfe eines Streichensembles weiterentwickelt. „Sonst wär’s ja langweilig“, meint Roman Wasserfuhr, Pianist. Zwei Dingen sind die Shootingstars der deutschen Jazz-Szene aber in der ganzen Zeit treu geblieben: ihrer unkomplizierten Art und ihrem schnörkellosen Gesamtklang.
Beides kam am Samstag vor allem in den vielen Eigenkompositionen der Brüder zum Ausdruck. Besonders das Werk „Bachelor“, benannt nach einer Castingshow, wurde erst durch den sparsamen Umgang mit musikalischen Verzierungen richtig interessant. Viel mehr standen treibende Rhythmen von Schlagzeuger Oliver Rehmann und der erstklassige, butterweiche Klang von Trompeter Julian Wasserfuhr im Vordergrund. Ähnlich verhielt es sich auch mit „Adonis“, das dem Bassisten des Quartetts, Benjamin Garcia, gewidmet ist.
Generell benennen die Wasserfuhrs ihre Kompositionen übrigens gerne nach den Leuten, die sie dazu inspiriert haben. Im Alten Rathaus präsentierten sie zum Beispiel „SNCF“, eine Hommage an die französische Bahn, „Stoned Remote“ mit Bezug auf einen vergesslichen Freund der beiden und „Duchan“, das einem Wirt aus dem bergischen Land gewidmet ist. Auch kreative Interpretationen von The Who’s „Behind Blue Eyes“ und Sting’s „Englishman in New York“ standen auf dem abwechslungsreichen Programm. Neben diesen altbekannten Songs des Wasserfuhr-Quartetts hatten die Musiker diesmal auch eine ganz frische Neukomposition mit im Gepäck. „Das Stück ist so neu, dass es noch gar keinen Namen hat“, so Trompeter Julian Wasserfuhr.
Ein umso bedeutsamer Name steckt hinter dem Stück, das das Quartett und die vier Streicher zum Schluss spielten. „Song for E.“ schrieb Bassist Lars Danielsson, der auch schon mit den Wasserfuhrs im Studio stand, nach dem tragischen Unfalltod der schwedischen Jazz-Legende Esbjörn Svensson. Mit einem dezenten, aber wirkungsvollen Einsatz von elektronischen Effekten entführte Trompeter Julian Wasserfuhr sein Publikum in die weite und kalte Landschaft Schwedens und setzte so einen eindrucksvollen Schlusspunkt für einen großartigen Jazz-Abend.
(Quelle: Westfälische Nachrichten, 1.12.2014, Yannick Dietrich)