Altes Rathaus, 14.10.2012. Eine Klangfarben sprühende Symphonie entfaltet ihre volle Wirkung natürlich nur bei einer orchestralen Aufführung.
Doch in diesen Genuss kamen Musikfreunde im 19. Jahrhundert nur selten. Vor allem, wenn sie abseits der Großstädte lebten. Franz Liszt fand eine Lösung: Er bearbeitete die Beethoven-Symphonien für das Klavier. Das erforderte statt eines Orchesters nur einen Klavierspieler – und erlaubte dem geneigten Musikfreund trotz reduzierter Klangfülle dennoch einen guten Einblick in Aufbau, Melodik und Harmonie des Werks.
„Nur ein Klavierspieler“ – das ist dabei eine etwas untertriebene Aussage. Wer sich – wie Johannes Friedemann Knoll am Sonntagabend in Schöppingen – an die Transkription wagt, muss schon ein gerüttelt Maß an technischer Virtuosität mitbringen. Knoll, der gebürtige Burgsteinfurter mit inzwischen europaweiter Reputation, erfüllt diese Voraussetzung. Nicht nur das: Bei seiner Interpretation gelang ihm durch seine vitale Ausdruckskraft eine Version des Werkes, die über ein reines Klavierstück weit hinausging. „Denken Sie nie Klavier, denken Sie immer Orchester“, hatte er vorab allen Klavierspielern als Tipp für das klangliche Gelingen eines Werks gegeben. Er selbst hielt sich an diese Maxime.
Mit Liszts „Vallee d‘Obermann“ und dem tiefgründigen „Nuages gris“ hatte das Konzert begonnen. Mit den sieben Fantasien von Johannes Brahms setzte Knoll einen musikalischen KonÂtrapunkt. Brahms streifte bei der Komposition dieser kleinen Perlen die formalen Zwänge ab, die er beim Schreiben seiner Klaviersonaten berücksichtigen musste. War es diese Freiheit, die in Brahms eine – trotz tiefer musikalischer Gedanken – jugendlich wirkende Spontaneität und Kreativität im Ausdruck weckte, die auf die Fantasien ausstrahlte? Knoll tastete sich einfühlsam und ruhig in diese musikalische Gedankenwelt vor.
Mit langanhaltendem Beifall dankte das Publikum dem Pianisten für einen Vortrag, der die Zuhörer gebannt hatte.
(Quelle: Westfälische Nachrichten v. 16.10.2012, Martin Borck)