Altes Rathaus, 07.03.2012. Es gibt Musik für die Seele, Musik für den Bauch und Musik für den Kopf. Jazz – namentlich, wenn er aus Deutschland kommt, gilt gemeinhin als „verkopft“, „intellektuell“, „steif“. Und so wundert es kaum, dass das Kölner Ensemble „Triosence“ seine ersten großen Erfolge im Ausland feierte. In Japan etwa ist das vor zehn Jahren von Bernhard Schüler gegründete Trio schon lange kein Geheimtipp mehr.
Zu Recht, wie Schüler (Piano), Stephan Emig (Drums und Percussion) und Ingo Senst (Kontrabass) am Mittwochabend im Alten Rathaus von Schöppingen eindrucksvoll unter Beweis stellten. Das Geheimnis des Erfolgs offenbarte sich schnell: Drei erstklassige Instrumentalisten spielen Kompositionen, die nicht nur ihrem individuellen Können Rechnung tragen, sondern auch Melodien so viel Raum geben, dass selbst Nicht-Jazzkenner Zugang zu den komplexen und technisch raffinierten Arrangements finden.
Hierzulande begreift die Szene langsam, dass „Triosence“ Musik nicht nur für alle Sinne bietet. „Wenn alles so klappt, wie wir uns das vorstellen, hat am Ende jeder ein Stück gehört, das ihm gefällt“, erklärte Bandleader Schüler eingangs. Tatsächlich folgten Anklänge an Swing, Funk, Latin, aber auch Ausflüge in die World Music mit afrikanischen oder fernöstlichen Motiven. Füße wippten, Finger schnippten und Hände klatschten begeistert mit, nicht nur als Drummer und Percussionist Stephan Emig das Publikum zur gemeinschaftlichen Body-Percussion aufforderte.
Schüler, aus dessen Hand sämtliche Kompositionen stammen, führte selbst durch das Programm und lieferte Anekdoten und Informationen zur jeweiligen Entstehung der Stücke. So erfuhren die aus ganz NRW angereisten Gäste, dass etwa der Song „Secret Holiday“ auf einen Kroatien-Urlaub als Führerscheinneuling mit dem nicht ganz freiwillig geliehenen Wagen der Eltern zurückgeht. Die Passage, die sich mit dem zwangsläufig folgenden Krach beschäftigte, war eindeutig zu identifizieren und machte schmunzeln, so wie die lautmalerischen Reisebilder zuvor träumen ließen.
Atmosphärisch dicht, von scheinbarer Leichtigkeit geprägt und stets eher mit einem lachenden als weinenden Auge zwinkernd, ließen die drei Melancholie allenfalls leise anklingen, nie aber die Stimmung dominieren. Selbst im träumerischen „Winter Rain“ schwang die Vorfreude auf warme Frühlingsschauer und erfrischende Sommergewitter mit.
Dabei ist die Leichtigkeit, mit der „Triosence“ das Publikum unterhält, nicht gleichbedeutend mit Oberflächlichkeit. So kommt es nicht von ungefähr, dass Schüler das in Schöppingen umjubelte, funkige „Back to Progress“ bereits im Alter von 16 Jahren komponierte. „Es hat 16 Jahre gedauert, bis es fertig war“, erklärte Schüler. „Und ich weiß heute leider nicht mehr, was ich mir bei dem Titel gedacht habe.“
Anders bei „One too much“. Was es mit diesem Titel auf sich habe, stellte Schüler dem Publikum als Rätsel auf. Ob sich aber am Ende des Abends ein Gast den ausgelobten CD-Preis für des Rätsels Lösung abholen konnte, scheint fraglich, denn offenbar ist Schüler nicht nur mit einem ungeheuer großen musikalischen Talent ausgestattet, sondern auch mit einer guten Portion Humor und Hinterwitz. Wer wollte schon auf den selbstvergessenen Genuss schöner Melodiebögen verzichten, um darauf zu achten, in welche Takte der Komponist „einen zu viel“ hineingeschummelt hatte?
Demnächst wird in Oslo die neue CD eingespielt – mit den meisten Stücken des Abends. Wer dort war, wird es kaum erwarten können.
(Quelle: Christiane Nitsche, WN, 9. März 2012)