St. Brictius, 4. April 2014. Fünf Stimmen – fünf Jahrhunderte – ein Thema: die Passion Christi. Ein Ensemble, das die Zuhörer an die Hand nimmt und auf eine Reise durch die Musikgeschichte führt. Nur durch Gesang und Worte das Geschehen erlebbar macht. Opella Nova gelang das am Freitagabend auf einfühlsame Weise. Die Gruppe trat in der St.-Brictius-Kirche in Schöppingen auf. Sie demonstrierte, auf welch vielfältige Weise Komponisten das Karfreitags-Geschehen vertont haben. Das jeweilige Zeitkolorit beeinflusste die musikalische Sprache – doch der Sinngehalt traf die Seele der Zuhörer immer wieder. Ganz gleich, welche Gestalt er annahm.

Beispiel Monteverdi: Die Spannung, die von den chromatisch ansteigenden Passagen ausgeht, ist mit Händen zu greifen. Zumal die sich langsam in die Höhe schraubenden Tonfolgen auch noch von einer sich ebenso langsam wie stetig aufbauenden Dynamik begleitet wird.

 

Große Klasse die „Lamentations of Jeremiah“ des englischen Tonsetzers Thomas Tallis aus dem frühen Barock. Beim Zuhören ließ sich das fünfstimmige Geflecht trotz seiner Vielschichtigkeit leicht durchdringen; die Sängerinnen und Sänger akzentuierten jede Stimme klar und deutlich – und die Musik in ihrer vollen Pracht war mehr als die Summe der einzelnen Stimmen.

Der Textausdeutung durch musikalische Mittel kommt gerade bei Passionsmusik große Bedeutung zu. Einzelne Worte erhalten durch besondere Verzierung oder auch durch eine Pause besondere Tiefe und Schwere, wie in der Motette „Tristas est anima mea“ von Johann Kuhnau das Wort „immolari“: Christus kündigt an, sich zu opfern.

Zentrale Komposition des Abends war der Choral „Christus, der uns selig macht“ in einer Bearbeitung des zeitgenössischen Komponisten Thomas Hansen. Die acht Strophen folgten jeweils unterschiedlichen kompositorischen Vorstellungen: Dissonanzen, Tempoverschleppungen, dann wieder angedeutete Fugen und Sprechgesang, ein Durcheinander der Stimmen – all das trug zur inneren Unruhe der Zuhörer bei. Absolut gewollt, denn das Geschehen am Kreuz ist in der Auffassung des Komponisten nicht dazu angetan, für Balsam auf die Seele zu sorgen.

Weitere Motetten, von Schütz, Reger, Pergolesi und etlichen anderen Komponisten rundeten den musikalischen Part des Abends ab. Texte – von Rilke über Morgenstern bis Enzensberger – gaben zusätzliche Gedankenanstöße.

(Quelle: Westfälische Nachrichten, 7.4.2014, Martin Borck)