Altes Rathaus, 30.11.2013. Farbenreiche, raumgreifende Klavierklänge, ein treibendes, höchst aktives und fantasievolles Schlagzeugspiel, ein druckvoller und zugleich einfühlsamer Bass und darüber immer wieder der samtweiche, ruhig-coole Ton der Trompete – der Sound des Wasserfuhr-Quartetts ist unverwechselbar.

Einen eigenen Stil zu finden und ihn auch adäquat umzusetzen, das ist das Höchste im Jazz. Julian (Trompete) und Roman (Klavier) Wasserfuhr haben es gemeinsam mit ihren kongenialen Begleitern Benjamin Garcia (Bass) und Oliver Rehmann (Schlagzeug und Glockenspiel) erreicht. Das Ensemble gehört mittlerweile zur Crème de la Crème nicht nur des deutschen Jazz. Am Samstagabend traten sie im Alten Rathaus in Schöppingen auf.

 

Nicht nur dass die Wasserfuhr-Brüder kompositorisch viel auf der Pfanne haben; ihre Interpretationen von „Nowhere Man“ von Lennon/McCartney oder „Behind Blue Eyes“ (Townshend/The Who) eröffnen ganz neue Zugänge zu den sattsam bekannten Titeln. Wie sie die musikalischen Themen und Motive wie Versatzstücke auseinandernehmen und wieder zusammensetzen, wie sie sie verfremden, über sie improvisieren – das zeugt von großer schöpferischer Kraft. Die greift erst recht bei den Eigenkompositionen. Anspruchsvolle, weit ausholende Melodielinien in aufhorchenden Tonskalen, wechselnde Metren und überraschende Wendungen erzeugen Spannung, machen das Zuhören zu einem genussvollen Vergnügen.

Vor allem live, wie am Samstag in Schöppingen. Da führen einem die Musiker vor Augen (und Ohren), dass sich hohe Konzentration und ausgelassene Spielfreude nicht ausschließen müssen und dass auch ein Konzert ein kreativer Prozess sein kann. Was beispielsweise der aus Ibbenbüren stammende Oliver Rehmann aus seinem Schlagzeug herausholte, war phänomenal: Pausenlos war er in Bewegung, Akzente setzend und aufnehmend. Nicht etwa aus Selbstzweck, sondern ganz im Sinne des Ensembles: einen Sound wie aus einem Guss zu erzeugen. Die selbst gesteckten Hürden sind dabei hoch – und der Anspruch, sie zu nehmen, erfordert höchste musikalische Präsenz. Wer es mit „Sieben Gegnern“ aufnimmt (so ein Titel, der sich auf die sieben Noten-Vorzeichen in der Komposition bezieht – eine Herausforderung für Musiker), braucht diese Präsenz und gleichzeitig Souveränität, die sich aus einer inneren Gelassenheit speist. Daraus entsteht künstlerische Größe, die das Quartett in aller Bescheidenheit vermittelte.

(Quelle: Westfälische Nachrichten, Martin Borck, 02.12.2013)