Altes Rathaus, 20.11.2012. Als ob sie füreinander komponiert worden wären, die Klavierstücke von Prasqual und die von Johann Sebastian Bach. Dabei liegen rund 300 Jahren zwischen der jeweiligen Entstehungszeit, und auch stilistisch sind die Unterschiede selbstverständlich gewaltig: Dort Bach, der strenge Meister des Kontrapunkts, hier Prasqual, der das Formale dem Ausdruck unterordnet. Umso effektvoller war es, wie der polnische Komponist am Dienstagabend im Schöppinger Rathaus Bach quasi aus seinen musikalischen Ideen entstehen ließ: Aus den Klangwolken von „Portal“ und der Klavierfassung zu „L‘una Vuota“ schälten sich übergangslos die ersten Takte aus dem Klavierbüchlein für Wilhelm Friedemann Bach bzw. aus dem „Wohltemperierten Klavier“. Aus stilistischer Vielfalt entwickelte sich eine übergreifende Einheit, über eine Brücke zwischen den Epochen, die auf eine höhere Ordnung hinwies.


Prasqual, derzeit Stipendiat im Künstlerdorf, ist in der Musikwelt kein Unbekannter. Er hat bereits mit seinem 2004 entstandenen Werk „Spectra“ in St. Petersburg einen Wettbewerb gewonnen. Der Komponist gab den Zuhörern einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Werks. Als Inspiration diente ein einfaches russisches Wiegenlied, das er bei einer Wanderung mit einer Musik-Kollegin sang. Kleine Ursache mit großer Wirkung . . . Die Zuhörer erlebten die Uraufführung der dritten Fassung dieses Werks. Erstmals waren auch die sechs musikalischen Porträts zu hören, die Prasqual von Mit-Stipendiaten und anderen Personen komponiert hatte. Kurze Charakterstücke, die musikalisch Eindrücke wiedergaben. Da gab es den ständigen Dialog eines Künstlerpaares, ein ganz kurzes Willkommen an einen gerade erst vier Tage alten Erdenbürger und eine musikalische Zeichnung eines offenbar Schwermütigen. Aufwühlend interpretierte der 31-Jährige Messiaens „Première communion de la Vierge“. Leicht von der Hand ging ihm das Rondo in a-Moll, „mein Lieblingsstück von Mozart“. Dass er auch etliche andere Lieblingsstücke hat, zeigte sich bei den Zugaben, die er dem kräftig applaudierenden Publikum mit einem Augenzwinkern präsentierte und mit denen er den Schlusspunkt hinter ein beeindruckendes Konzert setzte.

Quelle: Westfälische Nachrichten, Martin Borck, 22.11.2012