St. Brictius, 4.12.2011. Die gute Nachricht vorweg: Tom Daun hat noch an allen zehn Fingern Kuppen. Die sollen, so die Legende in früheren Jahrhunderten Harfe-Spielern abgeschlagen worden sein, wenn sie sich bei der zweisaitigen barocken Harfe zu oft vergriffen. „glauben sie nicht alles, was ich ihnen erzähle“, schränkte der Solinger Harfenist bei seinem Konzert am Sonntagabend in der St.-Brictius-Kirche gleich schmunzelnd ein.

Ab nahmen ihm die Zuhörer dagegen seine Liebe zu diesem Instrument, das „relativ knifflig zu spielen ist“. Und möglicherweise deshalb Mitte des 18. Jahrhunderts praktisch ausgestorben war. Seit rund 20 Jahren findet es jedoch wieder mehr Liebhaber. Weshalb? Davon konnten sich die Zuhörer überzeugen.

Fein wie die Saiten ist auch das Timbre der Musik. Die Harfe versprüht eine flüchtige Eleganz, die man mit der Zeit Königin Elisabeth I. verbindet. Der Hofstaat sitzt um den Musiker herum und vertreibt sich die Zeit. Arbeit ist etwas für die Untertanen. Die Kirche als Konzertsaal passt da sehr gut, erinnert sie doch mehr an voluminöse Schlösser als der Saal des Alten Rathauses.

In einer der vorderen Reihen saß ein Mann, der mit geschlossenen Augen der Musik lauschte. Mit gefalteten Händen, allerdings die Daumen ungewöhnlicherweise nach unten gerichtet, genoss er die Klänge. Trotz der seltenen und für viele andere schmerzhaften Fingerübung macht der Mann einen zutiefst entspannten Eindruck. Die Musik als Mittel, den Alltagsstress abzuschütteln: Auch dafür eignen sich die dezenten Harfenklänge ausgezeichnet. Dauns spielerische Leichtigkeit, der Harfe verführerische Töne abzugewinnen, schwebte förmlich durch den Kirchenbau. Wie ein zarter Hauch von Weihrauch.

„Die Harfe spricht die Seele des Menschen besonders an", sagte Tom Daun. Egal ob mit einer oder zwei Saiten. „Eine Saite, das wäre so, als wenn das Klavier nur weiße Tasten hätte.“ Durch die zweite, parallele Saitenreihe wird ein größeres musikalisches Spektrum ermöglicht. Um das den Zuhörern bieten zu können, setzte sich Daun eine Brille auf. Vielleicht wollte er damit aber auch nur verhindern, dass er sich vergreift und eine Fingerkuppe verliert.

 (Quelle: WN vom 6.12.2011)